Bundesweit kritisieren Krankenhausverbände den Rettungsplan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Sie fürchten massenhaft Insolvenzen und Personalentlassungen. Und das bereits ab April. Auch im Stadtkrankenhaus Korbach reagieren die Verantwortlichen und Mitarbeiter mit Entsetzen auf den am Wochenende vorgestellten Gesetzesentwurf. „Die unzureichenden Maßnahmen führen zu einem bundesweiten Krankenhaussterben, und das bereits mitten in der Corona-Krise“, befürchtet Geschäftsführer Sassan Pur.
Seit Tagen bereitet sich das Stadtkrankenhaus Korbach auf den prognostizierten Anstieg von Corona-Patienten vor: geplante Operationen werden abgesagt, Isolierstationen eingerichtet, Kapazitäten von Intensivplätzen mit Beatmungsgeräten ausgeweitet, weitere Mitarbeiter speziell auf die Anwendung von Beatmungsgeräten geschult und vieles mehr. Für den Wegfall eingeplanter Leistungen sowie die Mehrkosten der Corona-Aufrüstung hatte Bundesgesundheitsminister Spahn einen Kostenausgleich für die Krankenhäuser in Aussicht gestellt. „Koste es, was es wolle!“ und „Whatever it takes!“, waren seine Worte, so Pur.
„Vor zirka einer Woche haben die Krankenhäuser von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein Schreiben erhalten, in dem gebeten wurde, alle planbaren Operationen umgehend abzusagen, um Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten zu schaffen. „Die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser sollten demnach ausgeglichen werden, er bat um unser Vertrauen und unsere Mithilfe. Wir haben mitgeholfen und in unseren Krankenhäusern entsprechende Kapazitäten bereits jetzt geschaffen und sind gut gerüstet für das, was auf uns zukommen wird“, erläutert der Klinik-Chef. „Der Minister hat uns zugesichert, dass die dadurch entstehenden Erlös- und Liquiditätsausfälle übernommen werden, damit wir zum Beispiel die Gehälter unserer Mitarbeiter weiter bezahlen können“, so Pur. „Wir haben auf sein Wort vertraut und werden nun im Regen stehen gelassen!“ Werde dieser Plan Gesetz, setze Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme aufs Spiel und verliere letztlich auch den Kampf gegen das Corona-Virus.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft habe sehr gute Vorschläge zu dem Gesetz beim Gesundheitsminister eingebracht, die auch von einem Großteil der Krankenkassen geteilt wurden. Dies hätte den Krankenhäusern den Rücken freigehalten. „Scheinbar wurden diese Vorschläge aber auf Betreiben Dritter revidiert und am Wochenende ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der alle Krankenhausgeschäftsführer erstarren lässt“, sagt Pur. „Für alle Krankenhausmitarbeiter, die in dieser Krise an vorderster Front kämpfen werden, ist das ein Schlag ins Gesicht!“ Selbstverständlich könne sich die Bevölkerung in einer Notsituation wie dieser auf die Leistungsfähigkeit der Kliniken verlassen. Aber dafür müsse auch das Fortbestehen der Krankenhäuser gesichert bleiben. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe noch vor wenigen Tagen gesagt „Wegen der Corona-Krise wird kein Krankenhauaus in die Defizite getrieben“, so Pur. „Dafür muss der vorliegende Entwurf aber dringend überarbeitet werden und darf aktuell nicht beschlossen werden“, resümiert Pur.
Zum Hintergrund der aktuellen Beschlussvorlage:
- Die Krankenhäuser bekommen mit diesem Gesetzespaket nicht mal ganz das Vorjahresbudget, weil die Ausgleichszahlungen nicht hoch genug sind
- Die Kosten für das Pflegepersonal werden zwar vollfinanziert, aber erst nach einem extrem aufwendigen Nachweisverfahren, das vermutlich heftig umkämpft sein wird und erst spät im Jahr 2021
- Sicherheit bringt, ob die Kosten von den Krankenkassen wirklich übernommen werden und erst dann ggf. auch die entstandenen Kosten ausgleicht.
- Von den Pandemie-bedingten Mehrkosten in den Krankenhäusern werden lediglich Mehrkosten für die Bereitstellung zusätzlicher intensivmedizinischer Betten übernommen, das aber in nicht annähernd ausreichender Höhe.
- Die weiteren Pandemie-bedingten Mehrkosten müssen vom Krankenhaus selbst beglichen werden (zusätzliche Kosten für Schutzkleidung, für das Aufstellen von Zelten und Containern, etc.)
- Die Pandemie-bedingten Erlösausfälle im Bereich der für die Krankenhäuser überlebensnotwendigen zusätzlichen Erlöse aus Wahlleistungen, Nebenbetrieben wie Kantinen und Parkhäusern werden nicht mit einem Euro ausgeglichen.
- Hohe Insolvenzgefahr für sehr viele Krankenhäuser
- Es bestehen erhebliche finanzielle Risiken bei der Verhandlung des Anschluss-Budgets 2021, wenn die dann voraussichtlich wieder entstehenden Mehrleistungen von den Krankenkassen nur mit erheblichen Abschlägen (FDA) finanziert werden.
- Es ist unklar, wie die Anlaufphase nach der Krise verlaufen wird.