Gewaltdelikte: Spuren dokumentieren
Als eine der ersten Kliniken in Hessen hat das Korbacher Stadtkrankenhaus einen speziellen Untersuchungskoffer der Rechtsmedizin erhalten: Mit den Utensilien können Ärzte und Pflegekräfte Verletzungen dokumentieren, die von einem Gewaltdelikt stammen, sowie Spuren nach einer Vergiftung oder einer Vergewaltigung sichern. „Nicht immer erstatten Opfer in diesen Fällen Strafanzeige“, weiß Dr. Arved-Winfried Schneider, Ärztlicher Direktor im Stadtkrankenhaus Korbach. Eine aussagekräftige Dokumentation und Sicherung der DNA-Spuren in der Klinik helfen bei einer späteren Beweisführung.
„In unserer Zentralen Aufnahme stellen sich immer wieder Patienten mit Verletzungen oder Symptomen einer Vergiftung vor, die auf eine Fremdeinwirkung hindeuteten“, erläutert Dr. Schneider. Doch nicht immer wollen die Opfer – zum Beispiel nach häuslicher Gewalt oder einem sexuellen Missbrauch – unmittelbar eine Anzeige gegen den Täter erstatten. Erfolge dies aber erst in einem zeitlichen Abstand, ließen sich die Verletzungen nicht mehr dokumentieren, Proben oder Abstriche nicht mehr nehmen.
Mit dem neuen Untersuchungskoffer der Rechtsmedizin der Uniklinik Gießen/Marburg soll sich dies ändern: Im Verdachtsfall können Ärzte und Pflegekräfte der Hessenklinik die vorstelligen Patienten auf eine vorsorgliche Beweissicherung aufmerksam machen. Mit Zustimmung des Patienten können dann Fotos, Blut- und Urinproben, Abstriche nach einer Vergewaltigung zur Sicherung von Täter-DNA und weitere Dokumentationen mit den Inhalten des Koffers gesichert werden. Diesen übergaben die Ärzte aus dem Institut für Rechtsmedizin der Uni Gießen/Marburg, Theresa Ohlwärther und PD Dr. Christoph Birngruber, an das Stadtkrankenhaus Korbach. Zahlreiche Ärzte und Mitarbeiter der Zentralen Aufnahme ließen sich das Konzept und den Untersuchungskoffer erläutern.
Der Koffer enthält unter anderem eine Digitalkamera, Dokumentationsbögen, Zubehör zum Vermessen von Verletzungen und sogenannte Forensik-Kits, wie sie auch die Kripo verwendet. Ärztin Theresa Ohlwärther erläuterte bei der Übergabe im Stadtkrankenhaus wie die Utensilien zu gebrauchen sind und wie mit genommenen Proben umzugehen ist. Diese würden in der Rechtsmedizin in Gießen in geeigneten Behältnissen ebenso wie Fotos und weitere Dokumentationen für ein Jahr aufbewahrt. Sollte ein Opfer von Gewalt innerhalb dieser Zeit noch Strafanzeige erstatten, so können die Behörden auf das Material zugreifen und in einem Ermittlungsverfahren für die Strafverfolgung nutzen.
Hinter dem Projekt steht das hessische Ministerium für Soziales und Integration, das auch die Kosten trägt. Werden Fälle im Korbacher Krankenhaus mit dem Forensik-Kit dokumentiert und die Materialien nach Gießen geschickt, erhält die Klinik jeweils eine Aufwandsentschädigung. „Wir haben in unserer täglichen Praxis leider viele Fälle, in denen wir uns für unsere Arbeit als Rechtsmediziner eine bessere Dokumentation wünschen würden“, erklärte Dr. Christoph Birngruber nach der Übergabe. Der Koffer sei ein Schritt in die richtige Richtung und das Stadtkrankenhaus Korbach hierbei eine der ersten Institutionen, die diesen Weg mitgehen. So würden die Sinne des Klinikpersonals für die Anforderungen der Rechtsmedizin geschärft – zum Wohle der Opfer von Gewalt.